Kinderknochen heilen anders:
Schiefstellungen und Behinderungen vermeiden

Berlin, Juli 2012 – Bei Spiel, Sport und im Straßenverkehr verletzen sich in Deutschland jährlich schätzungsweise 900 000 Kinder so schwer, dass sie vom Arzt behandelt werden müssen. Die dritthäufigste Unfallfolge sind Knochenbrüche – meist von Armen oder Beinen. Um sie zu heilen, müssen Ärzte die Wachstumsvorgänge und die verschiedenen Therapien gut kennen. Denn bei nicht erkannten oder falsch behandelten Frakturen drohen dauerhafte Schäden, warnt die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH). Neben vorbeugendem Schutz der Kinder sei nach einem Unfall vor allem eine qualifizierte Behandlung durch einen Kinderchirurgen wichtig, so die DGKCH. Nur dann ließen sich falsches Zusammenwachsen und mögliche Behinderungen vermeiden.

Etwa 43 000 Kinder im Alter von 0 bis 15 Jahren werden hierzulande jedes Jahr wegen eines Knochenbruchs von Arm oder Bein stationär im Krankenhaus aufgenommen. Fast die Hälfte der Verletzungen sind Frakturen des Unterarms, gefolgt von Brüchen von Schulter und Oberarm mit etwa 9000 Fällen. „Aufgrund ihrer Schutzfunktion etwa beim Sturz auf die ausgestreckte Hand sind Ober- und Unterarm am häufigsten betroffen", sagt Professor Dr. med. Jörg Fuchs, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie aus Tübingen.

Auch wenn kindliche Knochen schneller heilen als die von Erwachsenen ist ihre Behandlung alles andere als trivial: „Frakturen bei Kindern unterscheiden sich in Diagnostik und Therapie grundlegend von Knochenbrüchen des ausgewachsenen Skelettsystems", erläutert Professor Fuchs, der Direktor der kinderchirurgischen Universitätsklinik in Tübingen ist. Das beginne schon beim Erheben des Befundes. „Unsere kleinen Patienten können uns oft nicht sagen, wo genau es ihnen weh tut", erläutert Fuchs. Die Deutung der Röntgenbefunde erfordere zudem viel Erfahrung: Haarrisse, Drehfehler und Verschiebungen könnten beim wachsenden Knochen leicht übersehen oder falsch eingeschätzt werden. Hier drohen schwerwiegende Folgen: Der Bruch heilt schlechter, Knochen wachsen fehlerhaft zusammen – schließlich können die Kinder die betroffenen Gliedmaßen mitunter nicht mehr uneingeschränkt bewegen.

Deshalb muss der Arzt bei der Wahl der Therapie auch das noch zu erwartende Wachstum des Knochens einbeziehen: „Eine korrekte Wachstumsprognose der jeweiligen Fraktur durch den Kinderchirurgen ist für eine optimale Therapie essenziell", so Professor Fuchs. Denn je nach Lage und Art des Knochenbruchs, Alter, Geschlecht und Entwicklungsstadium des Patienten heile der Bruch unterschiedlich.

Viele Knochenbrüche im frühen Kindesalter wachsen komplikationslos wieder zusammen. Mitunter gleichen körpereigene Spontankorrekturen sogar etwaige Fehlstellungen aus. Doch bestimmte Körperteile nach einem Bruch zu heilen erfordert vom Arzt große Expertise: Die Wachstumsfugen des Ellenbogengelenks etwa, die für das Längenwachstum des Knochens verantwortlich sind, hören schon früh auf zu wachsen. „Deshalb gleicht der Körper hier eventuelle Fehlstellungen nur in geringem Maße aus", sagt der Kinderchirurg und Knochenexperte Dr. med. Justus Lieber von der Abteilung für Kinderchirurgie und Kinderurologie der Universitätskinderklinik Tübingen. Mit 77 Prozent Komplikationen weisen diese Frakturen die höchste Fehlerquote bei Behandlungen auf.

Idealerweise besprechen Ärzte, Eltern und wenn möglich auch das Kind gemeinsam, welche Behandlung die geeignete ist. „Wir klären individuell, inwieweit die in Frage kommenden Therapien jedem einzelnen Kind zumutbar sind", meint Professor Fuchs. In jedem Fall sollten sie den kleinen Patienten in seinem natürlichen Bewegungsdrang unterstützen und nicht unnötig einschränken. „Auch wenn kindertraumatologische Zentren sehr gute Behandlungsmöglichkeiten bieten, ist jeder Unfall ein Unfall zu viel", gibt Professor Fuchs zu bedenken. Viele Unfälle ließen sich vermeiden, wenn Verkehrsregeln eingehalten, Protektoren und Helme getragen und nur TÜV-geprüfte Spielgeräte zum Einsatz kämen.


Die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie

Gegründet im Jahr 1963, schafft die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) bis heute Grundlagen für eine bestmögliche kinderchirurgische Versorgung in Deutschland. Dazu gehören Neugeborenenchirurgie, allgemeine Kinderchirurgie und Kindertraumatologie ebenso wie Kinderurologie. Die DGKCH vertritt das Fach in allen wissenschaftlichen, fachlichen und beruflichen Belangen. Derzeit praktizieren hierzulande Fachärzte für Kinderchirurgie in mehr als 80 kinderchirurgischen Kliniken, Abteilungen und als Niedergelassene. Kinderchirurgie gehört in die Hände von Kinderchirurgen. Denn ihre Patienten sind keine kleinen Erwachsenen.

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