50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie

Die Kinderchirurgie begann sich in den 50er Jahren in Deutschland sprunghaft zu entwickeln und gewann mehr und mehr Profil als eigenständiges chirurgisches Fachgebiet und erreichte zügig den internationalen Anschluss. Diese Entwicklung ging ganz entscheidend von Anton Oberniedermayr im Dr. von Haunerschen Kinderspital in München und von Fritz Rehbein in Bremen aus.

Beeindruckt vom Vorbild der "British Association of Pediatric Surgeons" lud Oberniedermayr am 21. September 1957 zu einem "Treffen Westdeutscher Kinderchirurgen" in das Dr. von Haunersche Kinderspital in München ein. Unter den 14 Teilnehmern waren u.a. Hecker, Hüsselrath, Maier, Oberniedermayr, Raisch, Rehbein, Schaudig. Man gründete die "Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kinderchirurgen" (in der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie), die erstmals eigene Interessen der Kinderchirurgie formulierte und vertrat und wählte Oberniedermayr zum Sprecher. Dieser wurde in das Präsidium der Chirurgen gewählt und erklärte 1963 auf der Präsidiumssitzung ("spontan und ohne jedes Mandat") die Umbenennung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kinderchirurgen in "Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie" (bzw. deren Gründung und damit Eigenständigkeit außerhalb des Bereichs der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie/ DGCh). Dies wurde wohl aus allgemeiner Überraschung im Präsidium der DGCh widerspruchslos hingenommen.

Oberniedermayer (Sprecher der AG seit 1957) war nun auch der erste Präsident der Gesellschaft. Er drängte aber auf eine demokratische Wahl und stellte sein Amt 1964 zur Verfügung. Er lud zum 4. April 1964 anlässlich des Deutschen Chirurgenkongresses in München wiederum ins Dr. von Haunersche Kinderspital zu einer Versammlung der noch recht wenigen Mitglieder ein. Unter den 17 Anwesenden waren v.Ekesparre, Hartl, Haße, Hecker, Helbig, Hüsserath, v.d.Leyen, Lutz, Oberniedermayr, Regenbrecht, Würtemberger. Diese wählten Rehbein, der nicht teilnehmen konnten, zu ihrem neuen Präsidenten.

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kinderchirurgen war zwar nicht der notarielle amtliche Beginn aber fraglos der ideelle standespolitische Beginn unserer Gesellschaft. Oberniedermayr, der sich in den folgenden Jahren vornehmlich der Etablierung der Kinderchirurgie als eigenständigem Fachgebiet widmete, wurde für seine Verdienste um die Gründung unserer Gesellschaft 1967 mit der Wahl zum Ehrenpräsidenten auf Lebenszeit geehrt und bedankt.

Folgerichtig entwickelte sich das Teilgebiet Kinderchirurgie in der Chirurgie der achtziger Jahre zum eigenständigen Facharzt für Kinderchirurgie Anfang der neunziger Jahre. Die Kinderchirurgen in der DDR kannten bereits Jahre zuvor diese Facharztbezeichnung und brachten diese durch den Grundlagenvertrag mit ein. Heute stellen die Kinderchirurgen als eigenes Fach eine wichtige Säule in dem sich neu konsolidierendem Gebiet Chirurgie und sind gemeinsam mit allen anderen Säulen der Chirurgie im Langenbeck-Virchow-Haus in 10117 Berlin-Mitte, Luisenstr. 58/59 organisiert.

Mit der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. in 10115 Berlin-Mitte, Chaussestr. 10 besteht ein enger freundschaftlicher und fachlicher Verbund, der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin existiert bereits seit 1925 !

Aufgrund der demographischen Entwicklung unserer Gesellschaft - die Geburtenzahlen sinken jährlich um 3% - ist die deutsche Kindermedizin in Bedrängnis. Das Kostengefüge in der Kindermedizin ist anders als in der Erwachsenenmedizin, Säuglinge, Kleinkinder aber auch Heranwachsende müssen zu ärztlichen Untersuchungen und Therapien elterlich begleitet werden, in Zentren für Kinder- und Jugendmedizin, in denen Kinderärzte und Kinderchirurgen gemeinsam mit in der Kindermedizin ausgebildeten Pflegenden arbeiten, ist die Zuwendung zum Kind das hohe Gut. Die Personalkosten dieser ausschließlich dem kranken Kind und seinen Eltern zugewandten Zentren sind hoch und müssen von unserer Gesellschaft getragen werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie stellt sich den neuen Herausforderungen und wird entsprechend ihres Zukunftpapieres, ihre Struktur in Deutschland ändern, sich subspezialisieren und Zentren für seltene angeborene und erworbene kinderchirurgische Erkrankungen institutionalisieren.

Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e.V. unterstützt die kinderchirurgische Kompetenz insbes. für die Neugeborenen und Säuglingschirurgie; die Kinderchirurgen operieren im Rahmen ihrer jeweils gültigen Weiterbildungsordnung.

Aufgrund der geringer werdenden Anzahl von angeborenen Fehlbildungen kann die operative Versorgung nicht überall (flächendeckend) angeboten werden, so dass Eltern mit ihrem kranken Kind ein entsprechendes Zentrum aufsuchen müssen. Für eine strukturierte und qualitativ gute Kinderchirurgische Versorgung ist dieser Weg vernünftig und erforderlich.

Auf längere Wege, insbes. in Flächenstaaten, müssen sich Eltern in Zukunft einstellen! Sowohl der Kinderarzt (Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin) als auch der Kinderchirurg (Facharzt für Kinderchirurgie) widmen sich präventiv dem gesunden und therapeutisch dem kranken Kind und Jugendlichen und sind deren Begleiter in den fachspezifischen Gesundheitsfragen.

Die Kinderchirurgen sind im Gebiet Chirurgie zu Hause und aufgrund ihrer Ausbildung der Partner des Kindes, seiner Eltern und des Kinder- und Jugendarztes.

Berlin, den 21.09.2007

Dr. med. Ulrich Hofmann
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie e.V.